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Es ist mehr als dreissig Jahre her: Ende August 1992.

Ein rechtsradikaler Mob verübte über den Zeitraum von vier Tagen zahlreiche Angriffe auf eine Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für Vietnamesen im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen.
Die Situation eskalierte, als sich Polizeieinheiten nach der Räumung der Aufnahmestelle zurückzogen und das noch verbliebene Wohnheim für Vietnamesen nach einer fatalen Fehleinschätzung der Bedrohungslage
schutzlos zurückliessen.
Daraufhin flogen Brandsätze, die das Gebäude, in dem sich 150 Vietnamesen, Betreuer und ein Fernsehteam befanden, in Brand steckten.

Unter dem Eindruck dieser und zahlreicher anderer fremdenfeindlicher Übergriffe entstand im Verlauf der nächsten zwei Jahre der Film „Killerphrasen“.

Der Film vereint mehrere Ebenen:

• Jugendliche äussern sich offen menschenverachtend und aggressiv gegen Ausländer, Flüchtlinge und Asylbewerber.

• Auf der Straße werden BürgerInnen spontan nach Ihrer Meinung zu Asylbewerbern befragt.

• Ein Politiker hält eine markige Rede. Es könnte im Wahlkampf sein.

Jedoch ist diese Rede keine gewöhnliche Politikerrede.

Das Besondere an dieser Rede ist, dass Sie aus Fragmenten damaliger Reden von Vertretern demokratischer Parteien wie CDU/CSU, FDP, SPD besteht.

Parallel erleben wir, auf welchen Boden derartige Reden fallen können.

In seinem Schlussteil zeigt „Killerphrasen“ eine mögliche Reaktion von Jugendlichen, die sich in Ihrem oft nicht genau definierten Hass und Ihrer Aggressionen gegenüber Fremden bestätigt fühlen und - unterstellen wir Fahrlässigkeit - unbedachte Politikerreden auf ihre Art in die Tat umsetzen.

Obwohl dreissig Jahre alt, ist dieser Kurzfilm (13 Min.) heute noch erschreckend aktuell.

Nicht erst seit dem erneuten Erstarken rechter Parteien wie der AfD wissen wir, dass Hassrede, Verleumdung, rechte Propaganda und Fake News mit Hilfe des Internets noch nie so einfach verbreitet werden konnten, wie heute.

Durch den „historischen Aspekt“ bietet „Killerphrasen“ eine gute Gesprächsgrundlage für alle Schulformen ab der 8.Klasse.

Wir schlagen vor, den Film zunächst einmal ohne Angabe des Entstehungsjahres zu zeigen.
Durch eine verzögerte Bekanntgabe des Erscheinungsdatums können sich Fragestellungen entwickeln wie:

-Lässt sich die Situation vor 30 Jahren mit der heutigen vergleichen?

-Was sind heute gängige „Killerphrasen“?

-Wie wird heute Hassrede, rechte, völkische rassistische Propaganda verbreitet und vor allem: wie können wir sie bekämpfen?

-Haben sich die Szenarien wie steigende Kriminalität, angebliche Auslöschung des deutschen Staates, die damals kolportiert wurden, bewahrheitet?

„Killerphrasen“ will Diskussionen provozieren.

Der Film fertigt keine Meinung vor, sondern fordert uns alle dazu auf, eigene Sprach,- und Denkgewohnheiten gegenüber ausländischen MitbürgerInnen zu überprüfen.


Beurteilung durch die Kreisbildstelle Hannover
aus dem Jahr 1994:

Killerphrasen
Können Worte töten?

Schlagworte:
Aggressionen
Asylanten
Ausländerfeindlichkeit
Ausländerproblematik
Gesellschaft
Gewalt
Hass
Randgruppen

Haupttitel: „Killerphrasen“

Zielangabe: Ein Film gegen Ausländerfeindlichkeit

Beurteilung: In Wirtschaftskrisen, geprägt durch Entlassungen aus den Betrieben, Massenarbeitslosigkeit, Sparmaßnahmen in allen Wirtschaftsbereichen und öffentlichen Haushalten und Steuererhöhungen gedeihen Parolen gegen Ausländer und Asylanten. In prägnanten Zusammenschnitte werden Aussagen von Bürgern, Haßparolen von Jugendlichen, eine Rede eines Politikers und eine brutale Szene von Rechtsradikalen gegen einen jugendlichen Türken von Laienschauspielern dargestellt.

Aggressive Formulierungen können Haß und Brutalität bis hin zum Mord produzieren. Interviewsequenzen, die in verschiedenen Fußgängerzonen entstanden, zeigen, wie sehr bereits der Normalbürger bestimmte „Killerphrasen“ verinnerlicht hat.

Bedenklich sind die Zitate unserer Politiker aus den Parteien CDU/CSU, FDP, und SPD ( in der Rede des dargestellten Politikers zusammengeschnitten), die den inneren Frieden stören. Gerade Politiker sollten vor dem Horizont unserer Geschichte beispielhaft für Humanität und Besonnenheit, Fairness und Vernunft wirken.

Ein außergewöhnlicher Film!

Beurteilung: Sehr Gut.

Zur Verwendung: Alle Schulformen ab Stufe 8, Kirchen, Gewerkschaften, Kulturvereine, Parteien u.v.a.

„Killerphrasen“ wurde auf den Friedberger Filmtagen 1994 in der Profi - Kategorie mit dem dritten Preis ausgezeichnet.

Begründung der Jury:

Der Film bietet ein wahres Feuerwerk von Vorurteilen gegen Außenseiter, Ausländer, Asylsuchende, Türken, Sinti, Roma, Afrikaner und andere Menschen, die aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden. - Der Film richtet sich durch die Darstellung, wie Vorurteile und Schimpfworte sehr schnell zu brutalen Taten werden können, einen eindringlichen Appell zur Solidarisierung mit Ausländern und Randgruppen.

Können wir aus der Geschichte lernen?

Obwohl bekannt ist, wohin Nationalismus, Wissenschaftsfeindlichkeit, Umweltzerstörung und Egozentrismus führen, erhalten Populisten und Radikale der AfD vielerorts enorm viel Zuspruch.

Was also tun? AfD verbieten?

Folgende Texte zur Weiterarbeit empfohlen:

https://www.sueddeutsche.de/meinung/prantls-blick-afd-bjoern-hoecke-joseph-goebbels-jupp-angenfort-1.6329144

https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/gesellschaft/dummheit-ignoranz-hass-hetze-e955597/

Verrohung der Sprache
Erklärung des P.E.N Zentrums zum Wahljahr 1994**

Bevor die Stimmen ausgezählt sind, wird die Sprache in den Wahlkämpfen dieses Jahres die Kultur unseres Landes verändert haben. Wir sehen die Gefahr, daß Politiker demokratischer Parteien bereit sind, sich in der Wahl der Worte und Themen mit Rechtsextremisten zu verbünden, um deren Propaganda für den eigenen parteipolitischen Vorteil zu nutzen. Damit kündigt sich eine Rhetorik an, in der die Grenze zwischen Information und Argumentation einerseits und Demagogie und Verhetzung andererseits fließend werden könnte - mit möglicherweise verheerenden Folgen für die Demokratie. Was unsere Geschichte erweist, gilt auch für die Gegenwart: stetes geht die Verrohung der Sprache der Verrohung des Staates voraus.
Als das Grundrecht auf Asyl ausgeholt wurde, deutete sich eine Republik an, der die Scham über das ihr mögliche Unrecht abhanden kommt. Seither wird die Sprache der Justiz gegenüber den Ausländern zunehmend zynisch, wird Menschlichkeit auf den Petitionsweg verwiesen.

Die Erwartung, mit der Ausgrenzung von Flüchtlingen werde der Rechtsextremismus eingedämmt, hat sich nicht erfüllt. Im Gegenteil - neonazistische Terroristen fühlen sich bestätigt und ermutigt.
Ausländische Bürger klagen zu Recht über ihre Furcht vor Verfolgung, und vor dem wachsenden Antisemitismus verlassen Juden unsere Republik.

Dies sind Alarmzeichen. In einer Zeit, in der weltweit fanatische Nationalisten den inneren und äußeren Frieden vieler Staaten zerstören, sollten Politiker vor dem Horizont unserer Geschichte beispielhaft für Humanität und Besonnenheit, Fairneß und Vernunft wirken.
Wer sich nationalistische Parolen offen oder unterschwellig zu eigen macht und Intoleranz für Patriotismus ausgebt, ist selbst die Gefahr für das Land, vor der er zu warnen vorgibt. Sprachbündnisse weisen darauf hin, daß auch die Ziele hinter den Worten sich ähneln. Es sind noch nicht die Gespenster des Nationalsozialismus, die unsere Demokratie ernsthaft bedrohen können. Bedrohlich aber ist eine etablierte Politik, die darauf spekuliert, daß Erfahrungen aus unserer Geschichte entwertet werden.

P.E.N: Internationaler Schriftstellerverband


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