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Diese Zeit hat es nie gegeben

Eine Zeitzeugenbefragung.

Erika Pelke aus Pößneck/Thüringen (*1922), begeisterte „Bund deutscher Mädchen“-Führerin im
Nationalsozialismus, wurde nach dem Krieg unter Werwolf-Verdacht im Gefängnis Saalfeld inhaftiert,
gefoltert und anschließend ins sowjetische „Speziallager Nr. 2“ nach Buchenwald gebracht.

Dort wartete sie zweieinhalb Jahre auf die Rechtsprechung.
Endlich entlassen und zunächst ein normales Leben führend, zeigten sich Spätfolgen der Haft.

Sie litt unter schwersten Phobien, die sie, aufgrund des Umgangs des SED-Regimes mit den so genannten
Schweigelagern, in die Isolierung führten. Erst nach der Wende gelang durch die Mitarbeit bei der
Entwicklung der Dokumentation „Speziallager Nr. 2“ in der Gedenkstätte Buchenwald eine Annäherung
an die traumatischen Erfahrungen und eröffnete eine Reflexion, die in der Bereitschaft mündete,
sich öffentlich zu äußern.

Der Filminhalt im Überblick:

Vier Stationen aus dem Leben der Erika Pelke

Erika Pelke konfrontiert mit einer Geschichte, die ohne ihren beharrlichen Weg in die Öffentlichkeit
lebenslänglich Schweigezeit geblieben wäre.

Dass nach der Wiedervereinigung beider deutschen Staaten 1989 unsichtbare Mauern weiter bestehen,
dass gerade Opferschicksale der sowjetischen Besatzungszeit erst langsam wahrnehmbar werden,
wird in ihrer Biografie paradigmatisch nachvollziehbar.

Die Annäherung an Erika Pelkes Lebensgeschichte vollzieht sich im Film als ein Weg über vier Stationen.
Diese Stationen gliedern sich wie folgt:

Begeistert (28 Min.) BDM-Führerin im Nationalsozialismus
Beschuldigt (24 Min.) Unter Werwolf-Verdacht im Gefängnis Saalfeld
Vergessen (19 Min.) Inhaftiert im Speziallager Nr. 2 Buchenwald
Verschwiegen (13 Min.) Isoliert in der DDR-Zeit

+CD-Rom: Ideen und Skizzen für ein intergeneratives/fächerübergreifendes Unterrichtsprojekt
der Klassen 9/10 (Religion/ Ethik/Deutsch/Geschichte)

Die Stationen wirken auf den ersten Blick als fremdbestimmtes Schicksal. Die Zeitzeugin selbst
zieht aber ein hoffnungsgestimmtes Resümee, erlebt ihren entschlossenen Weg in die Öffentlichkeit
bis hin zum aktuellen Film als eine innere Befreiung, als Exodus aus einem unsichtbar wirksamen
Schweigelager, das sie jahrzehntelang im DDR-Alltag umgab und eine Aufarbeitung der
raumatischen Hafterfahrungen in Saalfeld und Buchenwald verhinderte.

Im Rückblick auf ihre Arbeit mit noch lebenden Mithäftlingen an der Dauerausstellung
‚Das sowjetische Speziallager Nr.2 1945-1950’ sagt sie:

„Für mich war das eine Aufarbeitung und hat mir sehr, sehr geholfen, die ganze Arbeit hier.
Ich konnte mich dann mit der Zeit auch freisprechen, was ich ja vorher nicht konnte.
Kaum einen Satz gesprochen, wenn ich dran war in der Runde – um Gottes Willen nicht.
Und dann mit der Zeit hab ich’s gelernt und ich hab’s nie bereut. Also ... ich bin sehr froh,
dass ich die Arbeit gemacht hab. Wie gut das eigentlich einem Menschen tut,
wenn er reden kann, nach so langer Zeit.“

Auszeichnungen:

Sonderpreis der Landeszentrale für politische Bildung für „Diese Zeit hat es nie gegeben“
in der Kategorie Jugendarbeit/Schule

Jurybegründung:

Mit ändern fängt bekanntlich Geschichte an. Was kann man jedoch in einer Dokumentation anders
machen, damit Geschichte von über über 7 Jahrzehnten erlebbar und vor allem nachvollziehbar
für Jugendliche dargestellt wird? Dieser Frage und gleichzeitig medienpädagogischen
Herausforderung stellte sich eine Projektgruppe von Jugendlichen aus Rheinland Pfalz und
Brandenburg über einen Projektzeitraum von zweieinhalb Jahren.
Ihr Film „Diese Zeit hat es nie gegeben“ vermittelt eindrucksvoll, wie man diese Fragen beantworten kann.
Möglich war dies durch die harte und intensive Arbeit der Jugendlichen und Betreuer und durch
eine Frau, die eine Geschichte zu erzählen hat.
Die Dokumentation wird dem eindrucksvollen Lebenslauf von Erika Pelke vollauf gerecht.
Sie geht eindringlich aber dennoch behutsam und reflektiert auf Fragen wie Informationsmissbrauch
und Manipulation oder Schuld und Schuldige im NS-Regime, Nachkriegszeit und DDR ein, ohne den
Zuschauer selbst zu manipulieren. Im Gegenteil, es wird die Möglichkeit geboten, die eigenen Denkweisen
zu hinterfragen und zu erweitern. Abgerundet wird das Projekt durch kleine, eigenproduzierte Einspieler,
in denen Szenen des Lebens von Frau Pelke und gesellschftaspolitische Fragen eindrucksvoll dargestellt
werden.
Wir wünschen den Machern, dass diese Dokumentation, eingebettet in die geschichtlichen Kontexte,
ihren Weg in Bildungseinrichtungen finden möge. Verdient hat der Film dies allemal.

Video der Generationen Preis für Beste Gruppenleistung Kategorie: Generationenübergreifend

Jurybegründung:

Ein Zeitzeugenprojekt über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren durchzuführen, ist allein schon
bemerkenswert. Das Ergebnis ist ein herausragender Film mit Jugendlichen vor und hinter der Kamera,
der Zeitgeschichte über ein Einzelschicksal vermittelt. Trotz der Länge von 84 Minuten wirkt er an keiner
Stelle langweilig, sondern fesselt den Betrachter. Die Erlebnisse der Zeitzeugin und die Lebenswelt der
heutigen Jugendlichen werden gekonnt miteinander montiert.
Der komplexe Entstehungsprozess spiegelt sich auch in der Dramaturgie des Films wider: Dokumentation
und Nach-Inszenierungen, Interviews und Moderationen transportieren das Thema auf interessante
Art und Weise und regen zur Auseinandersetzung an. Mit der Zeitzeugin Erika Pelke, die ihre Lebensgeschichte anschaulich und berührend erzählt und über ihre Situation als Täterin und Opfer reflektiert, hat das Filmteam
eine charismatische Protagonistin gefunden. „Diese Zeit hat es nie gegeben“ wagt die Auseinandersetzung
mit jüngster deutscher Geschichte und ist ein besonders gelungenes Beispiel für ein thematisch
anspruchsvolles Medienprojekt.


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